Zeugen der Geschichte

Veröffentlicht am 1. April 2025 um 00:55

«Im Kloster 2», mitten im Stadtzentrum von Bad Herrenalb, liegt in der reizvollen Umgebung des ehemaligen Klosterbezirks das Museum für Feierabendziegel. Das schindeldelverkleidete Fachwerkhaus steht auf den Fundamenten der ehemaligen Klostersägemühle, wurde 1860 als «Gartenhaus zum Kurhaus» erbaut und lockt nun als Museum für ausgewählte Ziegel-Exponate.

Neue Schenkungen bereichern die Sammlung im Ziegelmuseum Bad Herrenalb

Das Ziegelmuseum Bad Herrenalb bleibt dank regelmäßiger Schenkungen lebendig und spannend und Christa Sagawe kann als Leiterin des Museums auch in diesem Jahr mit einem Neuzugang punkten. „Nachdem wir im vergangenen Jahr aus dem Nachlass eines Calwer Sammlers einen besonderen "Feierabendziegel" bekommen haben, reißt auch in diesem Jahr die Verbindung zu Calw nicht ab.“  Der der Dachziegel aus Calw, der vor dem Brand des Tons beschriftet wurde, gilt nach Experteneinschätzung als älteste Exemplar im Museum und lässt sich auf die frühen Jahre des 15. Jahrhunderts datieren. Die Einritzungen auf dem Ziegel sind typische Merkmale der sogenannten "Feierabendziegel", die Handwerker nach getaner Arbeit als individuelle Markierungen hinterließen. Laut Fachleuten lassen die in den Ton eingeritzten römischen Buchstaben eine zeitliche Einordnung zwischen 1404, 1415 und 1421 zu und damit ist es der älteste Ziegel im Sammlungsgebiet „Feierabendziegel" und damit im deutschsprachigen Südeuropa.

Schon lange vor dieser Zeit wurden Ziegel als Baumaterial genutzt. Bereits um das Jahr 1100 entstanden die sogenannten Spitz- und Lanzenziegel, die als frühe Form der austauschbaren Ziegeldeckung im Kloster Hirsau bekannt sind. Diese schlichten, aber effektiven Dachziegel sind ebenfalls im Ziegelmuseum ausgestellt und dokumentieren die Entwicklung von einfachen Formen hin zu individuell verzierten Stücken.

Mit einem weiteren Neuzugang in der Sammlung steht nun in diesem Jahr ein industriell gefertigter Dachziegel aus dem Jahr 1906 im Fokus, da er ebenfalls einen Bezug zu Calw aufweist.

Historische Verknüpfungen: Ein Ziegel aus Hermann Hesses Wohnhaus

Eine besondere historische Verbindung besteht durch die Schenkung, die mit dem Schriftsteller Hermann Hesse in Zusammenhang gebracht werden kann. „Der Dachziegel zierte einst das Wohnhaus des Autors“, so Christa Sagawe, die das neue Ausstellungsobjekt im Februar erhalten hat. Hesse, geboren in Calw, hatte sich 1904 mit seiner Frau Mia auf die Halbinsel Höri am westlichen Bodensee zurückgezogen. 1907 baute er dort sein eigenes Haus, in dem er einige seiner produktivsten Jahre verbrachte und unter anderem den Roman Peter Camenzind schrieb. Heute erinnert das Hesse-Museum in Gaienhofen an diese kreative Epoche. Und eben von dort kommt der Ziegel, den die Leiterin des Museums, Eva Eberwein, dem Ziegelmuseum überlassen hat. Sie schreibt an Sagawe: „Wir freuen uns, dass Sie den Ziegel mit der besonderen Geschichte ausstellen.“ 2003 hat sie gemeinsam mit ihrem Mann Bernd Eberwein das ehemalige Wohnhaus von Hermann Hesse erworben und es damit  vor dem Abriss gerettet. Seitdem hat sie das Haus sozusagen „vom Scheitel bis zur Sohle“ originalgetreu renoviert und den Garten nach Hesses Plänen neu angelegt.